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6. Der Wert der Arbeit und intellektuelle Integrität

Für Dorothy L. Sayers haben die Begriffe value of work und intellectual integrity eine tiefe Bedeutung. Sie sind der Maßstab, an dem sie ihre Werke und ihr Leben mißt. Für sie hat die Liebe zu der eigenen Arbeit eine christliche Tragweite.[1] Das geht sowohl aus ihren Romanen als auch aus ihren Essays hervor.

In Gaudy Night kann Sayers zum ersten Mal ihr wahres Anliegen in Worte fassen. In ihren vorangegangenen Romanen hatte sie bereits andeutungsweise auf dieses Thema abgezielt, es aber nie erreicht, die Substanz, die Integrität für sie hatte, so zu verdeutlichen wie in Gaudy Night. Sie bekennt in ihrem Essay “Gaudy Night”:

“By choosing a plot that should exhibit intellectual integrity as the one great permanent value in an emotionally unstable world I should be saying the thing that, in a confused way, I had been wanting to say all my life.”[2]

Beim Schreiben von Gaudy Night muß Dorothy L. Sayers bewußt geworden sein, wieviel ihr dieses Thema bedeutet. Denn in ihren nachfolgenden nicht-kriminalistischen Werken ist das Thema der Kreativität, des Wertes der Arbeit und der intellektuellen Integrität dominierend.

In “Are Women Human?” betont sie, daß für die Wertstellung der Frau die von ihr geleistete Arbeit entscheidend ist. Eine Frau sollte an der Arbeit gemessen werden, die sie leistet, und es sollte ihr die Möglichkeit eingeräumt werden, der Arbeit nachzukommen, zu der sie befähigt ist.

In dem Postskript “The Worth of Work”, welches The Mind of The Maker angehängt ist, betont Sayers den Wert der Arbeit für das mentale Gleichgewicht des Individuums.[3] Arbeit ist für Sayers ein zentraler Lebenszweck. Ohne die richtige Aufgabe im Leben kann das Individuum nicht glücklich werden. Sayers verlangt von Parteien, Gewerkschaften und nicht zuletzt der Kirche, den Menschen ihre Arbeit wieder näherzubringen, ihnen die Schönheit gut getaner Arbeit wieder begreiflich zu machen.

Diese Arbeit muß nicht ein Beruf, eine Profession sein, auch wenn Sayers hier ihren Schwerpunkt setzt. Es kann auch sein, daß eine Person eine andere zur Aufgabe nimmt.[4] So sieht Sayers die Ehe. Allerdings darf es nicht so sein, daß automatisch der Frau diese Rolle zukommt. Wird das Streben eines Menschen unterdrückt, kann es für diesen nur im Chaos enden. So sind die Täter in Sayers’ Romanen häufig Menschen, die ihre Berufung entweder durch äußere Einflüsse oder durch eigene Verblendung verraten haben.

Kenney schreibt über die Verbrecher bei Sayers:

“The relationship between this novel´s villain and hero is prototypical for [Dorothy L. Sayers]: in the world of her creation good people do good work, while subverting one´s work or occupation is an unfailing index of moral corruption.”[5]

Dorothy L. Sayers’ Mörder zeichnen sich nicht nur durch ihre Geringschätzung von menschlichem Leben, sondern auch durch Respektlosigkeit gegen ihre Arbeit aus. So verrät in sechs der sieben Bücher von Sayers, in denen ein Mord begangen wird, die Vorgehensweise des Mörders dessen Beruf.[6]

Dawson Gaillard erklärt den Zusammenhang zwischen Sayers’ Helden und Schurken und dem Begriff der Kreativität so:

“By misusing their work, Sayers´s criminals sin against God. They disrupt the divine pattern of creative energy, at least temporarily. Although evil cannot be abolished it can be redeemed by creative power. To Sayers, creativity meant synthesis, making something new out of the materials that one has. One does not destroy in order to create, one assimilates the old with the new.”[7]

So werden Sayers’ Protagonisten zu Kreuzrittern, deren Aufgabe es ist, den heiligen Gral der Kreativität wieder in den menschlichen Alltag zurückzubringen. Kreativität ist die Eigenschaft, die der Mensch mit Gott teilt. Sayers vermißt eine ausdrückliche Stellungnahme der Kirche zum Wert der Arbeit, meint aber, daß es eine christliche Lehre der Arbeit gibt. Diese verbinde “die Lehre von der Schöpferkraft Gottes mit der Gottebenbildlichkeit des Menschen”.[8]

Sayers sagt weiter:

“Wenn der Mensch nur dadurch die Bestimmung seiner Natur erfüllt, daß seine gottebenbildliche Kreativität zu vollem Ausdruck gelangt, dann brauchen wir dringend eine christliche Lehre von der Arbeit, die nicht nur für ordentliche Arbeitsbedingungen Sorge trägt, sondern auch dafür, daß die Arbeit so ist, daß der Mensch sie mit ganzem Herzen und um ihrer selbst willen tun kann.”[9]

Die Arbeit stelle Erfüllung dar. Am ehesten könnten Künstler, Wissenschaftler, Handwerker oder auch Mütter diese Erfüllung erreichen. Denn sie haben die Möglichkeit, ihr Produkt selbst zu gestalten und bis zur Vollendung zu begleiten. Ein gesellschaftliches Problem sieht Sayers für die Fabrikarbeiter. Diese sähen nur einen Teil ihrer Arbeit, machten immer wieder die selben Handbewegungen und könnten sich dadurch nicht mit dem Endprodukt identifizieren. Sie arbeiteten nur für den Lebensunterhalt. Dadurch gehe ihnen, so Sayers, ein Stück Lebensqualität verloren.[10]

Dorothy L. Sayers sieht also die Zukunft der Menschheit in der Kreativität. Sie glaubt, daß nach dem theologischen Menschen der Vorrenaissance, dem humanistischen Menschen der Renaissance, dem rationalen Menschen des 18. Jahrhunderts, dem biologischen Menschen Darwins, dem soziologischen, dem psychologischen, dem ökonomischen Menschen des 20. Jahrhunderts der kreative Mensch folgen muß. Die Menschheit befinde sich in einer Phase, in der nur das Streben nach Gewinn zähle. Das Individuum definiere sich durch seinen ökonomischen Erfolg. Dadurch verliere es sich in der Betrachtung eines Details seiner Ganzheit und büße seine Würde ein.[11]

In Sayers’ späteren Werken, nachdem sie sich ganz von der Detektivliteratur abgewendet hatte, wird das Thema des Wertes der Arbeit für die Würde des Menschen zu einem ständigen Inhalt. In The Zeal of Thy House[12] (1937),einem Drama, das sie für ein Festival der Friends of Canterbury Cathedral geschrieben hat und das auch in der Kathedrale von Canterbury uraufgeführt wurde, behandelt Sayers die Geschichte von William of Sens, einem Architekten, der im 12. Jahrhundert am Wiederaufbau eines Teils der Kathedrale beteiligt war. Sayers stellt ihn als nicht sehr tugendhaften Menschen dar, der aber als Architekt überaus kompetent ist. So wählt der Abt ihn auch trotz seiner moralischen Makel. Sayers glaubt, daß schlecht getane Arbeit nicht dadurch besser wird, daß sie ein Christ getan hat.[13] Der Arbeiter definiert sich durch die Arbeit, die er geleistet hat, der Mensch durch seine Kreativität.

6.1  Der Detektivroman als Mittel der Darstellung eines sozialen Themas

Ulrich Schulz-Buschhaus entdeckt im Thema der intellektuellen Integrität das Leitmotiv von Gaudy Night.

“In Gaudy Night, dem wohl bedeutendsten und geglücktestem Roman der Sayers, durchwirkt diese Frage als eines der geheimen Grundthemen die ganze Erzählung. Das 17. Kapitel mit seiner ausgedehnten und beinahe Zauberberg-artigen Diskussion über die Kompatibilität von moralischer Verantwortlichkeit und wissenschaftlichen Prinzipien ist hier nicht bloß eine Abschweifung, die das alte Kriminalromanschema verdecken soll, sondern das Zentrum des Romans und der Detektion selbst.”[14]

In Detektivromanen gilt es immer, eine gestörte Ordnung wieder herzustellen. Der Mord greift brutal in eine funktionierende Gesellschaft ein und verletzt jegliches Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Dem Detektiv kommt es zu, den Status quo wiederherzustellen. Er vollbringt dies durch sein unerschütterliches Vertrauen in die Wahrheit der Fakten. Dieser Glaube an die Macht der Wahrheit, so stellt Fritz Wölcken fest, macht den Detektivroman zu einem idealen Medium für Dorothy L. Sayers’ Botschaft.

“Ihre Begabung und ihre Ausbildung hätten ihr auch den Weg zu anderen Formen des Schreibens geebnet. Wenn sie diese anscheinend amüsante Gattung der Detektivliteratur vorzog, so hat das seinen Grund darin, daß die Probleme der geistigen Integrität, die diese Autorin in erster Linie beschäftigen, in der von dieser Gattung entwickelten Technik dargestellt werden konnten.”[15]

In ihren Romanen zeichnen sich Sayers’ Helden dadurch aus, daß sie ein außerordentliches Pflichtgefühl besitzen. Lord Peter Wimsey, der die Kriminalistik als Hobby betreibt, liegen die Konsequenzen seines Tuns zwar auf dem Gewissen, wenn er zum Beispiel Sir Julian Freke dem Gesetz übergeben soll.[16] Aber sein Verantwortungsbewußtsein läßt ihm gar keine andere Wahl. Wimsey betrachtet seine Aufgabe unter durchaus ästhetischen Gesichtspunkten. Er freut sich über die Kompliziertheit, mit der ein Verbrechen begangen worden ist, ergötzt sich an der Ausgefeiltheit eines künstlichen Alibis, bewundert das Gehirn eines einfallsreichen Verbrechers. Seine Arbeit erfüllt ihn mit Befriedigung.

Miss Climpson teilt Wimseys Art der Gewissensbisse nicht, denn für sie ist die Überführung von Verbrechern, dadurch, daß sie Wimseys Angestellte ist, ihre Profession. Sie teilt jedoch seine Einstellung zur Perfektion. Sayers hätte ihr durchaus Attribute wie Mitleid oder Nachgiebigkeit mitgeben können, die zu der Rolle der unverheirateten, älteren Dame gepaßt hätten. Statt dessen ist sie eine resolute Frau, die ihren Aufgaben mit dem Blick fürs Detail und Rationalität, also Professionalität, nachkommt.

Die Professorinnen am Shrewsbury College würden nie auf die Idee kommen, einen Kompromiß in ihrer Arbeit einzugehen. Denn die Wahrheit kennt keine Kompromisse. Räumten sie Halbheiten ein Recht auf Existenz ein, würden sie ihre Daseinsberechtigung verleugnen.

Harriet Vane, die noch emotionalste unter den hier angeführten Persönlichkeiten, hat, so empfindet sie selbst, in ihrem Gefühlsleben manchen Fehler gemacht. Aber ihrer Arbeit ist sie treu geblieben. Sie gesteht zwar ein, auch in ihren Romanen manches Alibi fehlerhaft gestaltet zu haben, jedoch versucht sie nach bestem Wissen zu handeln. So gestaltet sie, wie Sayers auch, ihre Romane so wirklichkeitsnah als möglich. Wenn sie ihre Arbeit so perfekt wie möglich macht, fühlt sie sich Gott näher:

“‘When you get the thing dead right and know it´s dead right, there´s no excitement like it. It´s marvellous. It makes you feel like God on the Seventh Day – for a bit, anyhow.’”[17]

Für Harriet Vane bedeutet ihre Arbeit Rückhalt in einer Welt, von der sie nichts Gutes erwartet. Sie ist von ihrem Geliebten verraten und des Mordes an ihm bezichtigt worden. Sie ist von einem Mann gerettet worden, den sie unbewußt liebt, dem gegenüber sie sich aber immer zur Dankbarkeit verpflichtet fühlt. Daraus ergibt sich ein Minderwertigkeitskomplex, der dadurch verstärkt wird, daß sie durch ihre Mitmenschen immer wieder an die traurige Episode in ihrem Leben erinnert wird. Sie bekommt anonyme Briefe. Leute, denen sie vorgestellt wird, erinnern sich zuallererst daran, daß sie des Mordes angeklagt war. Die Verkaufszahlen ihrer Bücher sind erst während ihrer Verhandlung in die Höhe geschossen. Wenn Harriet Bestätigung sucht, findet sie diese am ehesten in ihrer Arbeit. Sie weiß zwar, daß das Schreiben von Detektivliteratur in den akademischen Kreisen, zu denen sie sich auch zählt, nicht besonders geschätzt wird, aber sie weiß auch, daß das die Arbeit ist, die sie gut kann.

So antwortet sie auf die Frage von Miss Barton, der Schatzmeisterin des Shrewsbury College, wie sie denn nach ihren persönlichen Erfahrungen noch Kriminalromane schreiben könne:

“‘I know what you are thinking – that anybody with proper sensitive feeling would rather scrub floors for a living. But I should scrub floors very badly, and I write detective stories rather well. I don´t see why proper feeling should prevent me from doing my proper job.’”[18]

Sicherlich sehnt sie sich auch danach, wieder wissenschaftlich wertvollere Arbeit zu leisten. Diese Sehnsucht leitet sich aber mehr aus dem Wunsch nach Geborgenheit ab, einer Geborgenheit, die sie in Oxford zu finden glaubt. Wenn Harriet versucht, die Charaktere ihrer Romane so realistisch wie möglich zu gestalten, geschieht das nicht nur aus dem Bedürfnis heraus, ihren Lesern glaubwürdige Detektivromane zu präsentieren, sondern auch aus dem persönlichen Verlangen, ihre Arbeit so gut wie möglich zu machen.

6.2  Der Aufbau der Integrität in der Beziehung zwischen Wimsey und Harriet Vane

Lord Peter Wimsey muß als Detektiv für den Leser ohnehin als integer gelten. Die Detektive wie auch die Erzähler in Detektivromanen sind, mit wenigen Ausnahmen,[19] die einzigen Personen, denen der Leser trauen kann. Eine Detektivgeschichte, in der das nicht der Fall ist, würde gegen die fair-play-Regeln verstoßen.[20]

Dieses Prinzip gilt natürlich nicht für die Charaktere innerhalb des Romans. Harriet kann nicht wissen, inwiefern sie Wimsey auf emotionaler Ebene trauen kann. Sie weiß, daß sie sich auf seine Hilfsbereitschaft verlassen kann, daß er da ist, wenn sie ihn braucht. Das ist aber noch nicht genug. Sie muß wissen, ob Peter sie auch als gleichwertig behandeln würde. Deshalb ist es nötig, auch für Lord Peter Wimsey eine Form von Integrität zu etablieren, die für Harriet wahrnehmbar ist.

Sayers beginnt, Peter als Teil der Gesellschaft von Oxford zu beschreiben. Diese steht, auch für Harriet, als Symbol für den Begriff “intellektuelle Integrität”. Denn Oxford steht für das Recht und die Verpflichtung zu sagen, daß zwei und zwei gleich vier ist, immer und zu jeder Zeit ohne Einschränkung. Auf dieser Grundlage fußt jede Wissenschaft. An dieser Stelle Kompromisse zu machen hieße, wissenschaftliches Arbeiten unmöglich zu machen. Bei dem Dinner im Shrewsbury College, bei dem auch Lord Peter anwesend ist, kommt die Frage auf, ob es verantwortungsbewußt sei, immer nach Fakten zu streben, ohne die Resultate dieser Handlung zu berücksichtigen. Eingeführt wird das Thema durch Peter, der ein Beispiel nennt: In einem Fall wäre ohne seine Suche nach dem Mörder nur eine Person ums Leben gekommen.[21] Erst durch sein Eingreifen wird der Mörder gestört und bringt, um sein Motiv und Spuren zu verbergen, weitere Menschen um. Alle Mitglieder des Senior Common Room sind der Ansicht, daß Wimsey nicht anders hätte handeln dürfen. Die Wahrheit hat Vorrang vor allem anderen. Auf diese Weise verknüpft Sayers die Welt der Wissenschaft mit der des Detektivromans.

Wölcken sagt über den Zusammenhang zwischen Detektivgeschichten und Wissenschaft:

“Diese sittliche Notwendigkeit der Forschung, die wissenschaftliche Neugierde verbunden mit der Fähigkeit, sich eine Übersicht zu erwerben, Erkenntnisse ihrem Werte entsprechend abzuwägen, keine falschen Schlüsse zu ziehen, vor allen Dingen keine unzulässigen Rückschlüsse vorzunehmen, die Aufmerksamkeit des Kombinierens, das alles berührt sich aber auch eng mit den Gründen, aus denen Detektivgeschichten gelesen werden.”[22]

Peter wird beschrieben als Magister der Geschichtswissenschaften. Er hat einen Prädikatsabschluß und spricht mehrere Sprachen. Er kann mit den Gelehrten der Universität Konversation führen, ohne daß ihm jemand nachsagen könnte, er wüßte nicht, wovon er redet. Weiß er etwas nicht, gibt er das zu, was ihn nur noch integrer wirken läßt. Er kann Miss Hillyard Zugang zu einer Bibliothek mit für sie interessanten Schriften verschaffen.

Auf diesem Weg schafft es Sayers, Wimsey als Akademiker achtbar wirken zu lassen. Für Harriet ist es aber wichtig, ihm nicht nur intellektuell, sondern auch emotional vertrauen zu können. Zu diesem Zweck läßt Sayers den Fall, an dem Harriet und Peter gemeinsam arbeiten, eine mögliche direkte Auswirkung auf ihre gemeinsame Beziehung haben, die Wimsey erkennt und fürchtet.

Das Motiv des Täters ist auf unkontrollierte, emotionale Abhängigkeit zurückzuführen. Der Auslöser war die Ahndung mangelnder Integrität durch Miss de Vine. Peter muß fürchten, daß, wenn Harriet die Zusammenhänge erkennt, sie ihre Angst vor emotionaler Bindung bestätigt sieht. Das ist die große Probe, die Wimsey gestellt wird. Wird er dem Verlangen nachgeben, den einfachen Weg zu gehen und das wirkliche Motiv vor Harriet zu verbergen? Abgesehen davon, daß das wahrscheinlich nicht möglich wäre, ist Wimsey nicht nur bereit, Harriet das Motiv zu offenbaren, sondern er fordert sie sogar dazu auf, selbst dahinterzukommen.

“‘Surely you know by this time? You must know, Harriet, if you´re giving your mind to the thing at all. Opportunity, means, motive – doesn´t it stand out a mile? For God´s sake, put your prejudices aside and think it out. What´s happened to you that you can´t put two and two together?’”[23]

Für die Beziehung zwischen Harriet und Peter bedeutet dies, daß er sie als gleichgestellten Partner schätzt. Sie wird zwar dadurch nicht auf das Niveau des Superdetektivs gehoben, jedoch zeigt Wimseys Interesse an ihrer Meinung, daß er sich ihr nicht überlegen fühlt. Er weiß, daß sie zur Lösung des Falls fähig ist, wenn sie nicht durch ihre momentanen Vorurteile von der Lösung abgelenkt wäre.

Auch die Aufklärung des Falles wird erst durch Wimseys Kenntnis und Wertschätzung des akademischen Geistes möglich. Er erwartet die Charakterfestigkeit der Dons und rechnet damit, daß ihre Liebe zur Wahrheit sie sich auch über soziale Erwägungen hinwegsetzen läßt.

Wenn er den Mitgliedern des Senior Common Rooms die Lösung des Falles unterbreitet, tut er das auf eine Art, die an einen wissenschaftlichen Vortrag erinnert:

“‘I will first set out the salient points as they presented themselves to me when I came to Oxford last Sunday week, so as to show you the basis upon which I founded my working theory. I will then formulate this theory, and adduce the supporting evidence which I hope and think you will find conclusive.’”[24]

Dies geschieht zum einen, um sich der Sprache der Dons anzupassen, aber noch viel mehr aus der Achtung vor deren Arbeitsweise.

Intellektuelle Integrität ist die Basis, auf der sich Harriet und Peter gegenüberstehen können. Die Art der Beziehung wird durch Bachs Musik ausgedrückt. Intellekt und Leidenschaft, Körper und Geist, Mann und Frau stellen, wie Tokkata und Fuge, in gegenseitiger Abhängigkeit eine Ganzheit dar.

“‘This kind of thing,’ said Peter, as tenor and alto twined themselves in a last companionable cadence, ‘is the body and bones of music. Anybody can have the harmony, if they leave us the counterpoint.’”[25]

Am Tag, nachdem der Fall des Poltergeistes im Shrewsbury College geklärt ist, dankt Harriet Peter nochmals für die Rettung ihres Lebens. Diesmal jedoch, ohne die Bitterkeit zu empfinden, die in der Vergangenheit ihre Dankbarkeit begleitet hatte.

Sie sagt:

“‘If I owe you nothing else, I owe you my self-respect. And I owe you my life-’

‘Ah!’ said he, smiling. ‘But I have given you that back by letting you risk it. That was the last kick that sent my vanity out of doors.’

‘Peter, I did manage to appreciate that. Mayn´t I be grateful for that?’

‘I don´t want gratitude -’

‘But won´t you take it, now that I want to give it to you?’

‘If you feel that way about it, then I have no right to refuse. Let that clear all scores, Harriet. You have given me already far more than you know. You are free now and for ever, as far as I am concerned. You saw yesterday what personal claims might lead to – though I didn´t intend you to see it in quite that brutal way. But if circumstances made me a little more honest than I meant to be, still, I did mean to be honest up to a point.’

‘Yes,’ said Hariet, thoughtfully. ‘I can´t see you burking a fact to support a thesis.’

‘What would be the good? What would I ever have gained by letting you imagine a lie? I set out in a lordly manner to offer you heaven and earth. I find that all I have to give you is Oxford – which was yours already.’”[26]

So ist es nur natürlich, daß die Worte, mit denen der letzte Heiratsantrag gestellt wird und die zu finden Dorothy L. Sayers so lange gebraucht hat, diejenigen sind, mit denen die neuen Master of Arts von den Dons der Colleges als ebenbürtig akzeptiert werden und die zur Abschlußzeremonie des Studiums in Oxford gehören.[27]

Kathleen Gregory Klein stellt hierzu fest:

“Only when she discovers that Peter´s view of marriage does not include possesiveness and the precedence of  personal responsibilities over professional ones, as revealed in the solution of the case, can she agree, finally, to his Latin proposal (…), when he addresses her by her university title.”[28]

Wimsey fragt Harriet: “Placetne, magistra?” “Placet.” ist ihre Antwort.[29]

5. Die Metamorphose des Lord Peter Wimsey.

7. Die Charaktere am Ende ihrer Entwicklung


[1]       Vgl.  Gaillard, S. 99

[2]       “Gaudy Night” (Essay), S. 213

[3]       Dorothy L. Sayers: “The Worth of Work”, in The Mind of the Maker,S. 177-184, London 1941

[4]       Vgl. Gaudy Night, S.171 f.

[5]       Kenney, S. 128

[6]       Vgl. Klein, S. 32

[7]       Vgl. Gaillard, S. 94

[8]       Dorothy L. Sayers: “Creed or Chaos” in: Creed or Chaos and Other Essays in Popular Theology, 1947 in einer Übersetztung “Glaube oder Chaos?” in: Dorothy L. Sayers: Das größte Drama aller Zeiten, Drei Essays und ein Briefwechsel zwischen Karl Barth und der Verfasserin, S. 48-74, Herausgeber: Hinrich Stoevesandt, Zürich: Theologischer Verlag, 1982

[9]       “Glaube oder Chaos?”, S. 73

[10]      Vgl. “The Worth of Work”, S. 178 f.

[11]      Vgl. Brabazon, S.177 f.

[12]      Dorothy L. Sayers: The Zeal of Thy House, Erstveröffentlichung: London, Gollancz, 1937

[13]      Vgl. ibid, S. 162

[14]      Ulrich Schulz-Buschhaus: Der Kriminalroman als “novel of character and manners”, S. 114 in: Formen und Ideologien des Kriminalromans, S. 107-122, Frankfurt/Main: Akademische Verlagsgesellschaft, 1975

[15]      Fritz Wölcken: Der literarische Mord, S. 264, Nürnberg: Nest Verlag, 1953

[16]      Sir Julian Freke ist der Mörder in Whose Body?.

[17]      Gaudy Night, S 170

[18]      Ibid, S.33

[19]      In Dashiell Hammets The Maltese Falcon ist der Detektiv Sam Spade der Mörder seines Partners, und in Agatha Christies The Murder of Roger Ackroyd? ist der Erzähler der Täter.

[20]      zur Verläßlickeit des Erzählers: vgl: Beatrix Finke, Erzählsituation und Figuren­per­spektiven im Detektivroman, S. 42-47, Amsterdam: Grüner, 1983 zur Situation bei The Murder of Roger Ackroyd, S. 133-139

[21]      Er bezieht sich hier auf den in Unnatural Death geschilderten Fall.

[22]      Wölcken, S. 268

[23]      Gaudy Night, S. 379

[24]      Ibid, S. 411

[25]      Ibid, S. 369

[26]      Ibid, S. 436 f.

[27]      Vgl. Reynolds, S. 71f.

[28]      Klein, S. 28

[29]      Gaudy Night, S. 440